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Wenn man sich die europäische Literatur an-schaut, dann liest man in der Regel über gescheiterte und traurige Existenzen, meist Frauen, manchmal auch Männer. Über Männer, die sich in verhei-ratete Frauen verliebten und sie dann fallen ließen, sobald die Frauen bereit waren, ihre Ehemänner und sogar ihre Kinder zu verlassen, um mit ihrem Lover zusammenzusein. Ein Duell kam natürlich auch vor in der Geschichte. Als kleines Zückerchen für den männlichen Leser.
Damals, als die Frauen Korsetts trugen und ver-heiratet waren, hatten sie wenig Möglichkeiten, um ihren ehelichen Pflichten zu entkommen. Im besten Fall bediente frau sich der guten alten Ausrede: Kopfweh. Im schlimmsten Fall trieb sie ab.
Viele Frauen verfielen einer Krankheit namens Hysterie, der man auch in der Literatur jener Zeit häufig begegnet als ein Gespenst, eine mysteriöse Verstimmung, die Ehemänner in die Verzweiflung trieb. Die Hysterie äußerte sich in Weinkrämpfen und unverständlichem Verhalten. Wenn eine Frau der Hysterie verfiel, schickte man sie zu einem Arzt.
Der Arzt begriff schnell, was los war. Die Frau brauchte einfach nur mal einen ordentlichen Fick mit einem Mann, der sie verstand. Er solidarisierte sich in jedem Fall mit der Frau und verschrieb ihr einen Aufenthalt in einem Kurort – ohne den Ehemann.
Das bewirkte oft Wunder. Die Frau lernte im Sanatorium meistens jemanden kennen und ließ sich in der Folge mit der Genesung im herrlichen Luftkurort verdächtig viel Zeit. Die Liebschaften, die Frauen dort hatten, wurden Kurschatten genannt. Thomas Mann hat das in viele ellenlange Sätze gepackt und formte aus der Schlammpackung einen riesigen Berg.
Den «Zauberberg».
Im schlimmsten Fall, wenn die hysterische Frau arm war, wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingesperrt, wo man sie ordentlich quälte mit kalten Bädern und Fesseln – und einer Operation, bei der die Vagina komplett zugenäht wurde. In den meisten Fällen entfernte man zusätzlich die Klitoris. Praktiziert wurde das in Europa bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert hinein.
Dann wurde man urplötzlich modern in Europa.
Demokratie ist Faschismus in einem neuen Kleid, weil sie noch zu jung ist. Sie hätte wachsen müssen mit den Menschen. Sie hätte von innen kommen
müssen statt aus heiterem Himmel. Wenn sie Demokratie und Fortschritt sagen, meinen sie immer noch das Mittelalter und Sklaverei. Gestern noch hatten die reichsten Länder der Welt andere Länder unterworfen und sie ausbeutet. Gestern noch gab es Hitler, Stalin, Mussolini, Franco, Mao, De Gaulle und Churchill.
Die Engländer verdanken die vielen östlichen Einflüsse der East India Company. England wäre ohne den Kolonialismus im Mittelalter steckenge-blieben. Und doch herrschen in den Anfängen der industrialisierung die Gesetze des Mittelalters. Noch zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hängte man Kinder an den Galgen, wenn sie dabei erwischt wurden, ein Brot zu stehlen. Dann kam der eine Krieg, danach der andere Krieg, und man vergaß diese Vergangenheit, löschte sie aus. Man vergaß sich selbst und bildete sich ein, einen Quantensprung gemacht zu haben.
Dem falschen Glauben zu erliegen, man sei zivili-siert, weil man Geld habe, ist die Essenz des Geld-faschismus. Geld haben nur die Reichen. Und die kaufen sich frei. So reich wie in der Werbung sind in Wirklichkeit die wenigsten. Die Briten arbeiten hart und sind arm. Die Medien gaukeln dem Volk das Gegenteil vor und lobotomisieren ihr Hirn und ver-schmutzen die Herzen der Menschen, damit sie jeden Mist, jedes Virus und jede Pille schlucken. Bei dem Versuch, zu Wohlstand zu gelangen, hat sich manch einer in Japan totgearbeitet oder seine wertvolle Seele verkauft für sehr wenig Geld, um dann, wer weiß, zum Beispiel wegen eines Skandals vom Dach zu springen, wie es einen Sommer lang bei France Télecom der Fall war. Sobald also die Zahlen auf dem Konto schlecht sind, ist man sehr schnell bereit, sein Leben aufzugeben, weil man seinen Wert unter-
schätzt und nach diesem popeligen Kontostand be-misst.
Sklaverei existiert immer noch.
Cloud-Sklaven
Im digitalen Faschismus wurden kaum Bücher gedruckt oder gelesen. Nachrichten wurden zu Trig-gern aufgearbeitet und mit Bildern und Slogans garniert und aufgetischt. Slogans waren als Befehle gemeint. Die Abschaffung von Zahlen stand kurz bevor. Sie sollten mit Symbolen ersetzt werden. Mit bunten Grafiken und Tabellen. Worte sind Macht. Sie sind aber auch ein Allgemeingut. Der Zugang zu Literatur wurde erschwert. Das, was man lesen durfte beziehungsweise was man auftreiben konnte, war Kitsch.
Am einfachsten funktionierte die Sklaverei mit zwei Dingen. Zwei. Wie zum Beispiel Ja oder Nein.
Rot oder Grün. Krieg oder Frieden. Zwei Dinge reichten aus, um die Menschen hinters Licht zu führen. Gut und Böse. Jung und Alt. Dick und Doof.
Christ und Muslim. Im Dualismus blieb die Masse dumm. Nachdenken war überflüssig. Man musste sich meistens zwischen zwei Dingen entscheiden, um sich hinterher besser zu fühlen. Später übernahm die künstliche Dummheit der Supercomputer in der digitalen Sklaverei das Denken für sie und nahm ihnen jede Entscheidung ab. Sie nannten es künstliche Intelligenz.
Alles kostete Zeit, die nur hatte, wer im Besitz von Geld war. Das war schon immer so und so blieb es auch. Manche hatten auch denn Schlüssel zur Zeit.
Wann hatten sie den nur bekommen? Irgendwann
vor langer Zeit? Die größten Zeit-Künstler waren Journalisten. Sie taten zwar so, als seien sie beschäftigt, hatten aber immer irgendwie Zeit.
Irgendwie. Zwischen den Stunden konnten sie stundenlang schlafen oder sie fanden ein Wurmloch oder so, sie dehnten die Zeit aus. Sie wechselten zwischen ein paar Dimensionen, um Zeit zu sparen.
Genauso bereiteten die Journalisten-Boys in schmierigen Anzügen auch das Tagesgeschehen für das dumm-gemeine Volk auf. Sie machten aus der Wahrheit eine Lüge und aus der Lüge eine Wahrheit.
In ihrer vielen Freizeit, die sich sich ja erschaffen und zurechtbiegen konnten, sprachen sie manchmal nur zum Spaß rückwärts. Und aus ihrem Mund kam Scheiße heraus. Und aus ihrem Arschloch kamen Worte. Sie sprachen und sie schissen rückwärts.
Begleitet von den passenden Schlag-Zeilen
4 der
Zeit-Künstler, erfüllte die Seuche ihre Funktion, Wichshirne mit Müll zu füllen, Menschen zu isolieren und Bildung mit einer inhaltsleeren digitalisierten Bilderflut zu ersetzen.
Böse Zungen behaupteten, die Seuche sei in einem der vielen Frankenstein-Biowaffenlabors des Clubs der toten Wichser erfunden worden, um Geld zu sparen. Menschen waren ihnen zu teuer.
«Nur ein toter Mensch ist ein guter Mensch»
heißt der Slogan des Clubs der toten Wichser.
Während das Volk hungerte und verblödete, leisteten sich die alten Wichser mehrere Trips zum Mars. Das Volk blieb ruhig, weil es ja von den Zeit-Künstlern ruhiggestellt worden war. Die Trips auf den Mars wurden als «Erkundungsflüge zum Wohle der Menschheit», als Forschungsreise beschlagzeilt.
Mehr zum W
ahrheitsdruck der Presse kann man
nachlesen in dem Buch «Die volle Wahrheit» von Terry Pratchett.
Auch die Gegner der Cloud blieben ruhig und hofften, dass der Club irgendwann auf den Mars umsiedelt und für immer dort bleibt. Never-come-back-Tours.
Die An-Schläge der Schlag-Zeilen bekamen eine Antwort von den Hackern.
Sie kitzelten an der Cloud, bis sie vor lauter Lachen zerplatzte.
Das war der erste Hack. Und der wichtigste. Doch es ging weiter. Satelliten stürzten ab, die Drohnen auch. Die Fußfesseln fielen ab, es wurde endlich frei gefickt ohne die Fickvorschläge der Cloud. Doch es ging tatsächlich noch ein bisschen weiter. Der Club war auf diesen Schlag vorbereitet.
Auf einem Spaziergang fährt ihr ein Bus entgegen.
Sie denkt kurz darüber nach, ob ein Mann oder eine Frau hinter dem Steuer sitzt. Natürlich wird es ein Mann sein. Als der Bus in ausreichende Nähe kommt, erkennt sie eine rote Krawatte. Es ist ein Mann. Sie stellt sich vor, wie er an seiner Krawatte baumelt.
Sie gehört zu den wenigen, die noch lesen und Dinge nachschlagen. Sie liest sogar die Zeitung. Und sie arbeitet für einen der letzten Buchverlage, die es noch gibt. Glücklicherweise floriert das Verlags-wesen, seitdem die Cloud gehackt wurde. Die Menschen sind wieder auf eine gute Art gierig geworden.
Sie dürsten nach Wissen und Sinnlichkeit.
Als die Seuche ausbrach, war sie gerade angefangen, für den Verlag zu arbeiten. Sie mussten alle von zu Hause aus arbeiten, um Ansteckungen zu ver-meiden.
Nun ist die Cloud kaputt, und in einigen Wochen wird sie ihre Kollegen im Büro treffen, sie in Fleisch und Blut kennenlernen. Ihr graust es vor dieser menschlichen Begegnung, und sie befürchtet, dass sie die Kontrolle verlieren könnte. So einsam war sie in den letzten Monaten.
Sie will mit irgendjemandem ficken, um in eine tiefe Entspannung zu kommen, bevor sie ins Büro geht. Unter Menschen fühlt sie sich wie ein Hase in einem Löwenkäfig. Sie wollen ihr Fleisch.
Wurmlöcher und wie man Vampire